Spanisches Blut für den Sommer
„Aber Blutwurst hät jetzt gar ned Saison“.
Es ist Freitagabend. Ich treffe beim Einkaufen im Grossverteiler einen Bekannten. Uns umgibt ein Meer von ausländischen Beeren, als ich ihm übermütig von meinem neuesten Projekt erzähle. Sein Einwand bezieht sich auf die Metzgete, einem traditionellen Schlachtfest, wie es heute noch im Herbst in Schweizer Landgasthöfen üblich ist. Aus Mangel an Kühlungsmöglichkeiten mussten früher Blut und Innereien sofort verzehrt werden. Geschlachtet wird aber längst nicht mehr nur im Herbst. Heute steigt die Fleischnachfrage besonders in den warmen Monaten. Das hat einen einfachen Grund: im Sommer wollen die Menschen grillieren. Dieses saisonale Muster lässt sich sogar an den Terminmärkten für Fleisch an den Börsen ablesen.
Für die Schweizer Bevölkerung werden jährlich circa 3 Millionen Schweine geschlachtet. In jedem dieser Tiere zirkulieren zwischen 2.5 bis 4.5 Liter Blut. Das macht dann nach Adam Riese eine Menge zwischen 7.5 bis 13.5 Millionen Liter Blut. Eine schier unvorstellbare Menge. Ich habe keine Ahnung, wie und wieviel von diesem Blut verwertet wird.
Bisher habe ich in meine Nose-to-tail-Überlegungen vor allem Innereien miteinbezogen, aber mit Blut hat sich nochmals ein ganz neues Fenster geöffnet. Geschmacklich hat es mir schon als kleines Mädchen sehr gemundet. Und es ist gesund: Es enthält 18 Prozent Eiweiss und unter anderem viel Eisen. Mal abgesehen davon, dass Blut nicht jedermans Sache ist, enthält unsere klassische Blutwurst auch viel Fett und liegt schwer im Magen. Es ist kein Essen für warme Sommertage. Deshalb bin ich über die Bücher gegangen und habe mir übelegt, wie man den Rohstoff Blut gesünder, leichter und vielleicht auch moderner verarbeiten könnte. Dabei bin ich schnell auf die spanische oder südamerikanische Blutwurst, die Morcilla gestossen. Ihr werden je nach Region auch Gemüse, Rosinen oder Mandeln zugegeben. Es gibt Würste mit Lauch, Krautstiel oder gar Kürbis. Als Bindemittel wird unter anderem auch Reis verwendet. Man kann die Morcilla grillieren, im Sandwich oder auch als Tapas essen.
Ich habe mich also ans Projekt gewagt und die Menge an Fett ordentlich reduziert. Die Schwierigkeit bei der Morcilla besteht darin, dass Fett und Reis gleichmässig in der Masse verteilt sind. Nach dem Kochen kann man sie bis zu einigen Wochen trocknen lassen. Mit einem Teil der Würste habe ich gleich Crostini mit Kraustiel zubereitet. Was man sonst noch alles damit anstellen kann, erfahrt ihr nächste Woche.
Die Verwandlung der metallisch schmeckenden Rohsubstanz zur schmackhaften Wurst ist gewaltig. Das ist keine Weicheier-Aktion – dazu braucht man einen festen Magen, vor allem wenn man wie ich alleine in der Küche steht. Das Ergebnis ist die Mühe allerdings wert. Wer sich selber nicht getraut, mit rohem Blut zu experimentieren, aber trotzdem neugierig ist, der kann sich vielleicht noch zum bloody sponteanous dinner von Sobremesa in Zürich anmelden!
Ich danke an dieser Stelle auch dem Metzger Claus Böbel, der mir im regen Email-Austausch Red und Antwort zum Thema Blut(-wurst) gestanden ist.
Morcilla à la zum fressn gern.
Zutaten:
90 g Wollschweinschmalz
2 grosse Zwiebel fein gehackt
35g Langkornreis
1 kleiner Schuss Sherry
Gewürze:
ca. 11 g Salz (Achtung: meine Waage ist nicht so genau)
1g Pfeffer
1g Paprikapulver (z.B. geräucht)*
1g Zimt
Cayennepfeffer
400 g Schweineblut
Schweinedärme vom Metzger (besser Dickdärme)
* Zum Beispiel bei La Cucina erhältlich.
Zubereitung:
1. Blut aufmixen und durch ein Sieb geben. Zimmertemperatur annehmen lassen.
2. Reis gemäss der Verpackungsanleitung kochen. Abkühlen lassen.
3. Schmalz in einer Pfanne erwärmen und Zwiebeln blond schwitzen.
4. Blut mit den Gewürzen und dem Reis mischen. Zum Schluss das abgekühlte Fett und Zwiebeln darunter rühren. Unbedingt abschmecken — meine Küchenwaage ist nicht so genau.
5. In Schweinedickdärme füllen. Ich verwende einen Trichter. Immer wieder mischen, damit Reis und Flüssigkeit regelmässig verteilt sind. Nicht zu knapp abbinden und je nach Dicke 30 bis 60 min im Wasserbad garziehen lassen (bei ca. 80 bis 85 Grad). Vorsichtig, sie können leicht platzen.
6. Kurz ins kalte Wasser geben, und dann an der Luft fertig auskühlen/-trocknen lassen. Dann hält sie sicher 1 bis 2 Wochen im Kühlschrank.
Weitere Morcilla-Rezepte
- Morcilla mit Reis und Rahm (River cottage Rezept mit Video hier)
- Morcilla auf Wikibooks (in spanisch)
- Portugiesische Morcilla
- Morcilla mit Kürbis (Video auf spanisch)
Mein Tipp: Mir ist eine Wurst beim Kochen geplatzt; ich habe den Inhalt zusammen mit Zwiebeln, Knoblauch und Krautstiel angebraten und auf Crostini serviert. Mit Chili würzen. Ich könnte mir auch eine Krautstielfrittata mit Morcilla vorstellen