Über Schlachtabfälle und Gummibärli vom Grauvieh

Ich darf immer wieder Landwirte kennenlernen, die ihre Tiere aufrichtig gern haben und sie trotzdem zum Schlachter bringen (müssen). Das ist der Lauf der Dinge auf einem Bauernhof. Es sind Nutztiere. Das Schlachten erhitzt die Gemüter aber derart, dass man selten sachlich über dieses Thema diskutieren kann. Zwar essen viele von uns Fleisch, aber das Töten und Verarbeiten überlassen wir gerne anderen. Man blendet es aus. Auch solche Landwirte kenne ich. Sie lassen den Händler kommen, laden das Vieh ein und wissen gar nicht, was anschliessend damit geschieht.

Grauvieh in der Mutterkuhherde in Paspels

Diese Woche war ich im Bündnerland bei Georg Blunier und seiner jungen Familie. Sie lassen ihr Vieh, und das ist ganz neu, auf dem Hof vom Metzger betäuben und entbluten. Anschliessend wird das Tier in der nahgelegenen Dorfmetzgerei gemetztget. Es ist keine Hofschlachtung: Das Tier wird ganz traditionell in der Dorfmetzgerei verarbeitet. Es ist auch keine Weideschlachtung, weil das Vieh im Gatter vom Metzger per Bolzenschuss betäubt wird – und eben nicht vom Bauern mit dem Gewehr. Die ausdrückliche Beschreibung lest ihr in den kommenden Wochen in den Medien. Es soll nicht Mittelpunkt dieses Artikels sein.

Ich hätte bei der Schlachtung die ehrenvolle Aufgabe gehabt, das Blut zu rühren. Aber ich kam leider zu spät. Meine Mitfahrgelegenheit hatte den Wecker (um 5 Uhr morgens! Es sei ihm an dieser Stelle nochmals ausdrücklich verziehen) überhört.

Das Blut war schon gestockt und das anderthalbjährige Grauvieh bereits im Schlachthäuschen, als ich eintraf. Ich durfte jedoch einige Schlachtnebenprodukte einsammeln.

Gestocktes Rinderblut: die Blut-Rührerin kam zu spät.

 

Schlachtkörper ohne die meisten Nebenprodukte.

Schlachtabfälle – Nebenprodukte

Ganz vereinfacht formuliert: Der Schlachtkörper, sprich das Fleisch samt Knochen, macht beim Rindes so über den Daumen geschlagen mal etwa 50 Prozent vom Lebendgewicht aus. Es fallen viele Nebenprodukte an: zum Beispiel Felle, das Fett, der Euter, Innereien oder Blut. Nicht alles ist für den menschlichen Verzehr geeignet, aber vieles kann anderswo eingesetzt werden. So wird aus der Bauchspeicheldrüse für Zuckerkranke Insulin gewonnen oder die Galle für Reinigungsmittel verwendet. Das Leder vieler Schweizer Rinder wird in der Autoindustrie für die Sitze genutzt. Und auch nicht zu vergessen: In der Industrie werden Füsse, Knochen und Sehnen für die Leim- und auch für die Gelatinefabrikation benötigt.  Mit Gelatine wird Wein oder Apfelsaft filtriert, es wird in der Kosmetik, aber auch in der Pharmaindustrie verwendet.

Damit möchte ich nicht andeuten, dass wir alle tierischen Ressourcen verwerten und Verschwendung hierzulande kein ernstzunehmendes Problem sei. Ich möchte an dieser Stelle betonen, wie nützlich Nebenprodukte sein können. Ich ärgere mich nämlich oft über Leute, welche diese Stoffe zu „Abfällen“ degradieren. Das veranschaulicht mir, warum wir so dringend eine „nose to tail“-Bewegung brauchen!

Fuss vom Grauvieh

Gelatine selber herstellen

Zurück zu unserem Grauvieh: Ich habe einen der vier Kuhfüsse nach Zürich geschleppt. Mit einem scharfen Messer habe ich das Fell abgetrennt. Die Knochen und die umliegenden Sehnen kann nun zusammen mit der gleichen Menge an Wasser und etwas Salz über zwölf Stunden (je nach Alter des Tieres eventuell sogar noch länger) auskochen. So entsteht Gelatine. Dafür habe ich mir eigens eine Gummibärchen-Form (weil so herzig. Da ist das Girlie in mir durchgedrungen) im Internet bestellt. Vielleicht werdet ihr euch jetzt denken: „Mein Gott, ist die Nicole abgedreht! Hat die nichts Besseres zu tun, als selber Gelatine herzustellen? Da gehe ich doch lieber in einen Supermarkt und kaufe mir ein Päckchen Blattgelatine.“

Naja. Ich bin halt ein neugieriger Mensch. Es geht mir nicht darum, dass nun jeder Zuhause selber Gelatine für seine Panna Cotta machen muss. Aber ich möchte alle Prozesse verstehen, um als glaubwürdige Botschafterin für „nose to tail“ aufzutreten.

Meine eigene Grauviehfuss-Gelatine ist noch nicht fertig. Ich habe aber aus lauter Euphorie um die Gummibärchen-Form (sooo schnusig), die bereits vor einem Monat eintraf, das Rezept schon mit industrieller Gelatine ausprobiert.

Quickie: Industrie-Schlachtabfall-Bärli

12 Blatt Industriegelatine*
200g Rhabarber
75 ml Wasser
35 ml Hochstamm-Apfelessig
Zucker nach Belieben
1 kleine getrocknete Chili ohne Kerne

* Gelatine selber herstellen? Das Rezept findet ihr im Fliesstext.

Zubereitung:

1. Den Rhabarber zusammen mit Wasser und Essig langsam aufkochen. Mit Deckel bei kleiner Hitze 10 Minuten kochen lassen.

2. Wenn der Rhabarber zerfallen ist, ein grosses Sieb mit einem angefeuchteten Stoffwindel auslegen, den Rhabarber hineingeben und ca. 1 Stunde mit einer Schüssel darunter abtropfen lassen. Den Rhabarberbrei im Tuch leicht ausdrücken und den Saft abkühlen lassen.

3. Gelatine in kaltes Wasser einlegen, bis sie weich wird. Ca. 120 ml Rhabarbersaft abmessen. Mit Zucker süssen und mit den Chilis langsam in einem hohen Topf aufkochen, bis sich der Zucker aufgelöst hat. Chili entfernen. Etwas abkühlen und mit der Gelatine mischen. Danach sofort in die kalt ausgespülte Form geben.

Mein Tipp: noch schneller geht es mit selbstgemachtem Holunderblütensirup!

industriell hergestellte Gelatine aus Knochen und Sehnen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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