Respektvoll Tiere essen?
Vor einigen Wochen habe ich in meinem Garten zur Nose-to-tail-Grillparty geladen. Innereien-Spiessli, Onglet, Haxe und Hirniwurst wanderten zusammen auf den Grill. Das schmeckt alles gut. Wenn wir ein Tier schon schlachten, dann sollten wir zumindest alles davon verzehren. Diese Botschaft wollte ich nicht nur meinem direkten Umfeld vermitteln, sondern auch einem weitaus grösseren Publikum. In einem Artikel in der Coopzeitung lüftete ich meine Identität und stellte mich mit grossem Foto der Öffentlichkeit. Ich, Nicole, blondes Fräulein in Zürich lebend, finde, dass wir ein Schlachttier wieder ganz verwerten sollen. Es geht um Respekt vor dem Tier. Es besteht nicht nur aus Filet und Entrecôte.
In meiner Naivität nahm ich an, dass ich mit meinem Credo als Vorbild für andere dienen könne.
Die Reaktion war eine andere. Viele Leute waren empört. Von Respekt sprechen und dann Tiere essen, wie soll das gehen?
Für mich ist es eine ethisch heikle Frage, ob man Tiere züchten und auch essen darf. Diese Frage stelle ich mir als Fleischesser oft, und ich bin ganz, ganz fest überzeugt, dass sich viele Menschen solche Gedanken machen. Aber würde eine Landwirtschaft ohne Nutztiere funktionieren? Und wie würde sie aussehen? Diese Fragen sind relevant. Doch das ist eine der Nose-to-tail-Thematik übergeordnete Diskussion.
Das Nose-to-tail-Konzept sagt, dass es respektlos ist, erst ein Tier zu töten und danach den Grossteil davon als Abfall zu behandeln. Und genau das passiert momentan in der Schweiz und in grossem Umfang (siehe Proviande).
Vielleicht sollte ich es anhand eines frei gewählten Beispiels weiter ausführen:
Sagen wir mal, ein grosses Restaurant benötigt 50 Kilo Fleisch in Form von Rindsfilet. Ich schätze mal, dass das circa 5 Kilo pro Tier sind – d.h. dafür müsste eine halbe Kuhherde sterben. Das Schlachtgewicht eines einzelnen Rindes beträgt aber um die 250 Kilo plus zusätzlich nochmals fast soviele Kilos an Schlachtnebenprodukten, die man teils auch für den menschlichen Verzehr nutzen kann.
Ein einzelnes Schlachttier könnte dieses Restaurant gut mit 50 Kilo Fleisch bedienen, wenn man sich nicht aufs Edelstück versteifen würde.