Holy cow! Tatar von der Mutterkuh

Kürzlich erzählte ein Freund, dass die Spanier lieber Kuh- als Rindfleisch essen. Das Fleisch der bis zu 20 Jahre alten Tiere soll viel intensiver im Aroma sein. Das hat mich neugierig gemacht. Bis anhin kannte ich Kuhfleisch nur vom „Spatz“ aus den Erzählungen von meinem Vater. Während seiner Militärzeit hat er dieses Voressen gegessen. Zäh wie Schuhsohle sei es gewesen. Beim Wursten bekam ich dann das erste Mal Kuhfleisch in die Finger. Es machte gar keinen schlechten Eindruck.

Da in meinem Bekanntenkreis viele Unklarheiten bestanden, hier ein kleiner, unromantischer Exkurs zum Thema Kuh:

Die Geschichte ist eigentlich dieselbe wie bei den Hühnern: man unterscheidet auch bei den Rinderrassen zwischen solchen für Fleisch- und denjenigen für die Milchwirtschaft.

Ein weibliches Rind wird mit etwa 1.5 Jahren das erste Mal besamt und nach dem ersten Kalben zur Kuh. Ab diesem Zeitpunkt gibt sie Milch. Bei den Milchkühen dauert das im Schnitt 305 Tage lang, im Fachjargon Laktationsphase genannt. Um danach Milch zu geben, muss sie abermals kalben. Daher wird sie bereits während der Laktationsphase wieder besamt. Sobald eine Kuh unfruchtbar wird und/oder zu wenig Milch geben kann, wird sie geschlachtet. In der Schweiz kann das bereits nach 3 bis 4 Laktationsphasen der Fall sein, wobei Muttertiere der Fleischrasse meist einiges länger leben dürfen (ca. 12 Jahre). Wie bei den Legehennen sind männliche Nachkommen der Milchkühe ein Nebenprodukt und landen daher früh auf der Schlachtbank. In der Schweiz ist das Verhältnis von Milch- zu Mutterkühen der Fleischrasse etwa 5:1 .

Das Fleisch von Mutterkühen ist hochwertiger als dasjenige der Milchkühe. Es wird gar als Rindfleisch der Klasse II verkauft, während das der Milchkühe in Charcuterieprodukten verschwindet. Gemäss Stefan Seiler von der Firma Bell ist Mutterkuhfleisch nicht ganz so zart wie Rindfleisch, besticht hingegen durch sein intensives Aroma. Ein Roastbeef mit dem gelungenen Kontrast zwischen der gebräunten Kruste und dem rosa Inneren, so Seiler, ist am besten mit Kuhfleisch möglich. Ein Beispiel, das meine Metzgerin unabhängig von Seiler auch erwähnt hat. So wird in der Gastronomie auch häufig getrickst, und manch ein Gericht wird mit Kuh- anstelle von Rindfleisch serviert. Das muss wie oben erwähnt aber kein Nachteil sein.

Die Spanier haben das längst erkannt. Es gibt zwei Dinge, die bei der Qualität des Kuh- aber auch des Rindfleisches eine besondere Rolle spielen: einerseits die Fettschicht und dann auch das Abhängen (Dry-Aging) vom Fleisch. So werden in Spanien alte Mutterkühe nochmals einige Monate gemästet und ihr Fleisch etwa 45 Tage gelagert. Da kommt mir wieder der Spruch gut Ding will Weile haben in den Sinn. Solches spanisches Kuhfleisch gilt als Delikatesse und ist auch in der Schweiz erhältlich.

Für meinen Stammmetzger wäre die Beschaffung kein Problem gewesen, trotzdem entschied ich mich aus reiner Neugierde im ersten Rundgang mal für eine Schweizer Mutterkuh aus artgerechter Haltung. Mit geschätzten 10 Jahren ist sie sicher älter geworden als ihre Berufskolleginnen in den EU-Ländern. Die lange Lagerungszeit hat mir meine Metzgerin hinsichtlich des Tatars ausgeredet. Sie hat mir die Spitze des Filets verkauft und schon allein vom Anblick her konnte ich nicht meckern. Geschmacklich war es hervorragend.

filet

Zum Kuhfleisch hat mich letztendlich auch ein Bekannter bewegt. Dieser wird nie müde, von sich als grosser Gourmet zu reden. Ihm ist nur das „Beste“ gut genug. Am liebsten drei bis vier Mal die Woche Rindsfilet oder Entrecôte auf dem Teller, ohne Gedanken an Umwelt- oder Tierschutz zu verschwenden. Ein paar Hormone, die das Wachstum beschleunigen, sagt er schenkelklopfend, machten das Fleisch erst richtig schmackhaft.

Ich muss wohl kaum anmerken, dass das wenig mit meiner Philosophie zu tun hat. Ich glaube, dass eine ganzheitliche Berücksichtigung aller Kriterien schlussendlich auch zu bester Qualität führt. Erstaunlich beim Rind oder eben der Kuh ist, dass das Tier Zeit braucht und man ihm seine Lebzeit gönnen darf.

Ich habe, seit ich mich genauer mit dem Thema Fleisch auseinandersetze, kein sonderliches grosses Interesse mehr an Filet. Es ist mir zu fad. Ich bevorzuge Fleischstücke mit höherem Fettanteil und folglich auch mehr Geschmack. Aber zu ein paar Toasts mit Tatar once in a while kann ich nicht nein sagen.

Rezept von: inspiriert von Claudios Fleischeslust

Zutaten (2 Personen):

200g Filet oder Huft von der Schweizer Mutterkuh, durch den Fleischwolf gedreht
1 EL selbstgemachte Teriyaki-Sauce
2-3 Peterlistengel, sehr fein geschnitten
1 Schalotte, fein gewürfelt
1 Prise Zucker
1/2 Chilischote, entkernt, fein gewürfelt
3 TL Kapern, abgespült und ausgedrückt, fein gehackt
2 TL Dijonsenf
1 TL Feigensenf
1 EL weisser Portwein (anstelle von Cognac)
Indonesischer Langpfeffer
Pfeffer
Salz nach Bedarf

fleischwolf

Zubereitung:

1. Schalotte zusammen mit dem Peterli in neutralem Öl andämpfen. Auskühlen lassen.

2. Fleisch rechtzeitig aus dem Kühlschrank nehmen. Es darf nicht zu kalt sein.

3. Zucker, Salz, Teriyaki-Sauce und alle übrigen Zutaten in einer Schüssel mischen. Fleisch mit der Sauce vermengen. Bei Bedarf salzen.

Dazu passt: gebutterte Toasts, ein paar wilde Spargeln an einer leichten Vinaigrette und ein kräftiger Rotwein, wie zum Beispiel ein Tempranillo.

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