Sind Innereien leicht verderblich? Carpaccio vom schimmligen Herz

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Ochsenbäggli, Schwanz, Zunge, Zwerchfell oder Herz sind absolut massentauglich, weil diese Teile ja im Prinzip nichts anderes als pures Muskelfleisch sind. Man zählt sie allerdings nicht zum offiziellen Schlachtgewicht (korrigiert mich bitte, wenn ich hier falsch liege), sondern zu Innereien bzw. Schlachtnebenprodukte. Diese seien leicht verderblich. Man solle sie innerhalb weniger Tagen nach der Schlachtung verzehren. So sagt man jedenfalls. Das mag für Innereien wie Hirn oder Milken zutreffen. Doch wie sieht es zum Beispiel mit einem Herz aus? Wir wissen, dass Fleisch vor dem Konsum reifen muss. Rindfleisch sollte gut zwei bis drei Wochen gelagert werden. Nur so wird es zart und gewinnt das typische von Fleischliebhabern geschätzte Aroma. In der industriellen Verarbeitung wird das Fleisch meist im Vakuum nassgelagert und seltener wie früher an der frischen Luft („dry aging“). Es exisitieren aber noch diverse weitere Methoden, wie man Fleisch reifen lassen kann. Ich bin keine Lebensmitteltechnologin, die euch an dieser Stelle in diese Wissenschaft einführen könnte. Doch ich fragte mich, inwieweit sich gerade solche sagen wir mal „fleisch-ähnliche“ Innereien wie Herz für die gängigen Reifungsmethoden eignen.

An der Gourmesse letzten Herbst traf ich Lucas Oechslin von Luma Beef. Luma Beef überträgt in einem patentierten Verfahren Edelschimmelpilzsporen auf grosse Fleischstücke. Zu dieser Zeit hatten sie ihr Verfahren bereits erfolgreich auf Onglet (Zwerchfell) angewendet. Nachdem mich seine Luma-Kollegen ungläubig angeschaut hatten, fasste ich mir ein Herz und sprach Lucas auch noch an. Es brauchte nicht allzu viel Überredungskunst. Lucas, der sonst grösstenteils nur mit Edelstücken handelt, wollte ein Rindsherz für mich „verschimmeln“.

Das Resultat dieser Bemühungen erreichte mich kurz nach den Feiertagen: auf Eis gelagerte Stückchen vom Rindsherz, welche zwei Wochen lang mit dem Edelschimmel behandelt wurden.

Leider entstehe im Moment mit dieser Methode viel Abfall, weshalb Luma noch weiter an der Rezeptur tüftelt. Lucas meldete aber auch, dass die ersten Testergebnisse auf positives Feedback gestossen sind. Geschmack und die spezielle Textur hätten selbst Köche aus der gehobenen Küche überzeugt. Ich konnte keinen grossen Unterschied zu den normal gelagerten Rindsherzen feststellen, die den Aufwand rechtfertigen würden.

 

Trotzdem verbuchte ich die Aktion als kleinen Sieg für mich als Foodaktivistin.
Ich hatte mitten ins Herz der Filetkultur getroffen.

 

Ich entschloss, das Herz fast roh zu kosten. Dazu habe ich es kurz, circa eine halbe Minute auf jeder Seite scharf angebraten und in feine Scheiben geschnitten. Anschliessend mit Sbrinz, Salz und Pfeffer wie auch einem leichten Olivenöl angerichtetet. So ist es einfach göttlich. Man schmeckt die leichten Röstaromen vom Fleisch, aber doch noch das intensive Aroma vom rohen Organ.

Im Moment passt auch rohes Carpaccio von der marinierten Artischocke dazu (geht zu Rossetti auf dem Zürcher Wochenmarkt).

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