Das Alpschwein

Vor einiger Zeit habe ich mich für bessere Haltungsbedingungen für Schweine ausgesprochen. Am besten, so sagte mir ein Bio-Bauer, haben es die Alpschweine. Denn nicht nur Rinder und Schafe, sondern auch Schweine werden gesömmert. Sie geniessen mehr Auslauf und können eventuell sogar ein bisschen Wühlen. Ihr Futter besteht unter anderem aus Molke, einem Abfallprodukt des Alpkäsens. Bei der Käseproduktion entstehen aus 100 Liter Milch etwa 90 Liter Molke. In der Innerschweiz oder im Bernbiet wird daraus noch der klassische, weisse Ziger hergestellt. Ziger ist aber sehr rohstoffintensiv. Daher eignen sich die Schweine zur Restenverwertung.

Für Alpschweine wurden bei den Supermärkten Coop, Migros und auch Spar extra Labels kreiert. Auch viele Metzgereien haben Alpschwein im Spätsommer und Herbst im Angebot. Gewisse Labels garantieren auch, dass der Bauer etwas mehr Geld pro Kilo Fleisch erhält. Bessere Haltung, bessere Preise, besseres Futter und erst noch besseres Fleisch.

Ich war glücklich.

Nicht nur positiv

Eigentlich ist das Alpschwein eine erfreuliche Geschichte. Leider folgt an dieser Stelle das grosse ABER. Bei Wanderungen in den Sommermonaten habe ich „Alpschweine“ getroffen, die einfach im Stall gehalten wurden. Der Mitbewohner war entsetzt. Seither frage ich beim Einkauf von „Alpschwein“ lieber zweimal nach.

In Gesprächen mit Landwirten und Agronomen lernte ich aber auch die Probleme der Schweinehaltung im Alpenraum kennen: Die Rasse ist aufgrund ihrer rosa Hautfarbe anfällig für Sonnenbrand. Und das kann erhebliche gesundheitliche Schäden auslösen (Stallhaltung?). Ausserdem sind heutige Züchtungen vom Körperbau her für Gelenkprobleme anfällig. Manche argumentieren, sie seien für die Berggebiete einfach zu gross und zu schwer.

Ich geriet ins Grübeln.

Wo sind die „echten“ Alpschweine?

Beim Wurstkurs vor zwei Jahren, erzählte Fleischveredler Patrick Marxer, dass die rosa Schweine aus einer Kreuzung mit leistungsstarken, chinesischen Schweine entstanden seien (siehe auch: Kulinarisches Erbe der Alpen). Und das sei noch nicht so lange her. Also, was war vorher?

Ich sprach Philippe Ammann von Pro Specie Rara darauf an. Wo sind unsere Schweine geblieben? Warum haben die Franzosen die Noir de Bigorre oder die Spanier das Iberico-Schwein, die Deutschen ein Sattelschwein und die Ungarn das Mangalitza?

Philippe Ammanns Antwort war ernüchternd. Natürlich gab es viele autochtone Schweizer Schweinerassen. Doch mit dem Siegeszug der produktiveren, rosa Schweine sind sie ausgestorben. Vom Appenzeller Schwein bis zum Marchschwein zählt Pro Specie Rara rund 18 Schweizer Rassen, deren Gengut nun für immer verloren ging…

Das schwarze Alpenschwein

Aber ich sehe Licht am Ende des Tunnels. Die wenigen überlebenden echten Alpschweine (meist in Italien) wurden zu einem Gen-Pool zusammengeführt. Daraus entstanden ist ein gelenkiges kleines, schwarzes oder geflecktes Säuli, das „schwarze Alpenschwein„.

alpschwein2
Erste Ferkel in Bayern (Quelle: Pro Patrimonio Montano)

Also, wer weiss? Vielleicht treffen der Mitbewohner und ich dieses Säuli bereits in wenigen Jahren auf unseren Bergwanderungen an.

Und dann bitte daran denken: Ihr müsst dieses Fleisch auch kaufen. Denn nur der wirtschaftliche Erfolg ermöglicht das Überleben einer Nutztierrasse!

Mehr Infos zum Projekt findet ihr unter:

Alpines Netzwerk Pro Patrimonio Montano (PatriMont)
Alpenrassen.at

oder hier:

 

Alp-Weideschwein

Nachtrag: Ab 2017 startet in Zusammenarbeit mit KAGfreiland und Pro Valladas ein Projekt zur Förderung eines Alp-Weideschweines. Die Verantwortlichen setzen dabei auf Turopolje-Schweine, einer alten Rasse aus Kroatien.

Mehr Infos zum Projekt findet ihr hier.

Turopolje-Ferkel (Quelle: KAGfreiland)

 

Comments are closed.