Was koche ich heut? Poulet, Rind oder Ross?

Bevor ich auf eigenen Beinen gehen konnte, musste ich schon auf einem Ross sitzen. Als kleiner Knopf hatte so fürchterliche Angst vor den Tieren. Ich muss mal die Fotos mit mir und Pferd suchen, bis dahin gilt dieses Foto von mir als Platzhalter.

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Mein Grossvater hatte jahrelang ein kleines Gestüt mit einigen (Heim-)Pferden. Wurden die Tiere alt oder krank, brachte man sie zum Pferdemetzger in Pfyn. So war das. Gegessen haben wir sie aber nie.

Ich hatte trotz des familiären Bezugs nie ein gutes Verhältnis zu Pferden. Nach meiner kurzen vorpubertären Wendy-Phase war das Thema Pony & Co. für mich endgültig passé. Sie mochten mich nicht, ich mochte sie nicht. Um es für euch Leser zu relativieren: natürlich gehe ich niemals an einer Pferdekoppel vorbei, ohne mit der Zunge zu schnalzen und mit den Tiere zu sprechen; und allenfalls zu streicheln. Ich mag grundsätzlich alle Tiere. Es stört mich, dass man um Pferdfleisch so ein Theater veranstaltet, während man ohne mit der Wimper zu zucken Rind isst. Und doch habe auch ich Berührungsängste. Schon allein vor dem Begriff Rossmetzger hatte ich Horrorphantasien. Da Fiechters kein Pferdefleisch verkaufen, ging ich mutig zur Pferdemetzgerei Schmucki in Zürich Oerlikon. Ich war erleichtert, als der Rossmetzger sich als eine schlanke, blonde Frau vorstellte. Im Laden schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Es ist einer dieser Orte in Zürich Nord, die allen Zürcher Hipsterbewegungen trotzen und noch so ursprünglich sind wie vor 40 Jahren. In der Metzgerei selber sieht man neben dem Würsten und verarbeiteten Produkten, kein frisches Fleisch. Es sei lichtempfindlich.

Die Schweizer Produktion an Pferdefleisch ist rückläufig, gleichzeitig wächst der Bestand an Pferden im Land. Immer mehr Tiere landen in Entsorgungsstellen und werden dann in Kehrichtverbrennungen und Zementwerken verbrannt. In der Schweiz werden keine Tiere für die Fleischproduktion gezüchtet. Meist werden überzählige Zuchttiere oder alte Sport- und Arbeitstiere geschlachtet. Die unterliegen allerdings strengen Kontrollen: Haus- oder besser gesagt Heimtiere wie die meines Grossvaters dürften heute fast nicht mehr verzehrt werden (Quelle: NZZ; BLV). Dies alles trifft auf eine über die Jahre stabil gebliebene Schweizer Nachfrage an Pferdefleisch. Im Jahr 2015 machte das Schweizer Angebot nicht einmal mehr 10 Prozent des gesamten Konsums aus. Der Rest wird importiert: mehrheitlich aus Kanada, aber auch aus Frankreich. In den USA ist der Konsum von Pferdefleisch untersagt, was zur Folge hat, dass die Tiere nach Kanada transportiert werden (Quelle: SVPS Bulletin 2012 , Andere Quellen behaupten jedoch es gäbe grosse Schlachthäuser in Texas). Wir alle erinnern uns an die grausamen Bilder aus dem Jahre 2013, die mit dem Findus-Lasagne-Skandal ins Rampenlicht gerückt wurden. Die Haltungsbedingunen haben das Fleisch aus Übersee in Verruf gebracht, sodass zum Beispiel der Schweizer Grossverteiler Coop ganz darauf verzichtet.

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Quelle: Proviande „Der Fleischmarkt im Überblick 2015“

Bei Frau Schmucki in Oerlikon sind alle Wurstwaren aus der Schweiz. Aus dem Ausland bekommt man sowieso nur Edelstücke. Das Pferd sei kein Mastier, so Frau Schmucki. Es muss sich bewegen. Folglich ist sein Fleisch fettarm und muss reichlich gewürzt werden. Sie konnte mir zartestes Filet vom Fohlen oder Huft vom Pferd anbieten. Beides aus einem Schlachthof in St. Gallen.

Früher durfte Rossfleisch nur in separaten Metzgereien verkauft werden aus Angst vor Etikettenschwindel. Der Konsument kann von blossem Auge schwer Rind- von Pferdefleisch unterscheiden. Mit dem BSE-Skandal und dem Rückgang an Rindfleischkonsum vor über 10 Jahren erwirkten die Grossverteiler eine Gesetzesänderung. Zumindest erzählten mir das Frau Schmucki und ihr Sohn, als ich sie zum Thema löcherte.

Mit dem Thema Pferd wage ich mich nach dem Blut an ein weiteres Tabuthema. Im Judentum ist der Verzehr von Pferdefleisch ganz untersagt und auch im Islam ist es unüblich. Frau Schmucki erwähnte das päpstliches Schlachtverbot, welches auch für Christen Pferdefleisch tabusierte. Man brauchte die Pferde für die Heere. Gegessen hätte sie man dann aber aus Not trotzdem. Man weiss heute, dass die Menschen in der Steinzeit schon häufig Pferde gegessen haben. Auch Reitervölker wie etwa wie den Mongolen assen Rossfleisch. Die Pferde wurden jedoch nie nur für den Verzehr gezüchtet, denn als Fleischlieferanten sind Rinder oder Schweine einfach effektiver (Quelle: Wikipedia).

Und so sieht es also aus: Huft vom Schweizer Pferd für knapp CHF 5.50 pro 100 Gramm. Ich würde lügen, wenn ich euch nicht von meinem Skrupel gegenüber diesem Stück Fleisch schreiben würde. Dies anzufassen, damit zu kochen und gar zu essen, ist mein persönlicher Mount Everst!

Was denkt ihr? Wie fühlt es sich für euch an?

Pferdehuf

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Pferdemetzgerei Schmucki
Schwamendingenstrasse 21
8050 Zürich

Tel. 044 311 62 48

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