Oerliker Randenwürstli
Kürzlich veröffentlichte die Neue Zürcher Zeitung einen Artikel, der die Schweizer Gastronomie kritisch beäugte. Besonders ein Satz hallt mir auch Wochen nach der Publikation noch in den Ohren nach:
[…] Statt internationalen Moden wie Cup-Cakes nachzuhecheln oder Premium-Burger zu servieren, gewänne man mit einer Neuinterpretation hiesiger Traditionen mehr [..]
Dieser Satz spricht mir tief aus dem Herzen. Wieso soll die neue Schweizer Alpenküche nicht genau so spannend und reizvoll sein wie die internationale Küche? Gleichzeitig ist es aber nicht immer einfach, an die Rezepte der regionalen Spezialitäten zu kommen. Ein gutes Beispiel ist hier die Saaser Randenwurst aus dem Wallis.
Saaser Randenwurst (Saucisse aux racines rouges)
Aufgrund des Fleischmangels haben die Walliser ihre Würste mit Kartoffeln oder Gemüse gestreckt. Die Randenwurst ist ein Relikt aus jener Zeit. Die rote Knolle färbte die Wurst und konnte zumindest optisch einen höhren Fleischanteil vortäuschen. Der Fleischanteil ist heute deutlich höher, aber die Randenwurst ist immer noch beliebt. Sie wird während 10 Tagen luftgetrocknet und kann danach roh verzehrt werden (Rohesswurst).
Die Oberwalliser hüten ihre Geheimnisse und würden kaum einer Fremden wie mir die genaue Rezeptur für diese Rohesswurst verraten. Kein Problem, dachte ich mir. Dann gibt es eben frische Randenwürstli 2.0 aus Zürich Oerlikon. Ausgangspunkt für meine Wurstkreation war das Salsiccia-Rezept von Patrick Marxer und die Inhaltsbeschreibung einer klassischen Walliser Randenwurst:
Zusammensetzung Saaser Hauswurst:
Rindfleisch, Schweinefleisch, Speck, Randen, Kartoffeln, Lauch, Nitritpökelsalz, Gewürze, Zucker, Glucosesirup, Antioxidationsmittel: E301, E331, Geschmacksverstärker
Anstelle des Rindfleisches habe ich Lammhack verwendet. Dies weil ich einerseits Lammfleisch liebe und andererseits die Schafe namens Saaser Mutten typisch für das Oberwallis sind. Auf Kartoffeln und Lauch habe ich verzichtet und mich auf die Rande konzentriert. Nach Absprache mit meinen Metzgerinnen habe ich sie gekocht und zusammen mit dem Fleisch durch den Fleischwolf gedreht.
Bei selbstgemachten Würsten kann man sehr kreativ sein, was die Gewürze angeht. Ich habe wild experimentiert. Weil Zimt und Randen gut harmonieren, ist ordentlich von diesem Pulver in meinen Würstli gelandet. Ein sehr guter Entscheid, wie ich feststellen musste. Jegliche E-Stoffe, Geschmacksverstärker wie auch das umstrittene Nitritpökelsalz fallen bei Hausgemachtem natürlich weg. Die Farbstoffe der Rande sorgen auch ohne Pökelsalz für eine leicht rötliche Färbung der Wurst.
Der mühsame Teil beim Wursten ist das Handwerk als Solches. Vor zwei Jahren habe ich bei Patrick Marxer von dasPure einen Wurstkurs besucht. Damals unterstützten professionelle Wurstfüller unsere Arbeit. Zuhause habe ich natürlich keine solchen Geräte stehen. Gemäss Anna Pearsons Kochbuchs kann man auch mit Spritzbeutel ans Werk gehen. Da ich aber dünne Schweinsdärme erworben hatte und mein Spritzbeutel zu grob erschien, bin ich auf einen Trichter umgestiegen. Ich möchte nichts beschönigen: das dauert. Nach 6 original Oerliker Randenwürstli warf ich das Handtuch. Die restliche Masse wurde in Hacktätschli umfunktioniert. Man könnte mit der Masse aber auch Köfte-ähnliche Würste formen und diese auf Holzstäbchen gesteckt grillieren.
Oerliker Randenwürstli mit Zimt
Zutaten für 4 Personen:
400g Hackfleisch vom Lamm
80g Fett vom Schwein (z.B. vom Bauch)
100g gekochte Randen
1 Knoblauchzehe
7g Meersalz
1 Prise Zucker
1 Prise gemahlene Muskatblüte
0.5g Zimtpulver
nach Belieben: Fenchel-, Koriandersaat und Pfefferkörner
¼-½ Chilischote, getrocknet
1cl Rotwein
1 Schweinsdarm von den Fiechter-Schwestern in Zürich
Zubereitung:
1. Fett vom Schwein in kleinere Stücke schneiden und für ein paar Stunden ins Gefrierfach legen. So lässt es sich besser durch den Fleischwolf drehen. Man kann das auch vom Metzger machen lassen!
2. Fenchel, Koriander, Pfeffer und Chili in einer Pfanne ohne Fett rösten und danch im Mörser zusammen mit den übrigen Gewürzen mahlen.
3. Schweinefleisch mit Rande und Knoblauch durch den Fleischwolf drehen. Die Masse mit Lammhack, den Gewürzen und Wein vermischen. Die Masse kräftig kneten, damit Eiweiss, Wasser und Fett eine gute Bindung miteinander eingehen (im Übrigen auch das Geheimnis eines guten Hackbratens ohne Ei!). Erst wenn die Masse „klebrig“ wird, ist sie fertig.
Man kann mit dieser Masse nun auch einen Hackbraten oder Hacktätschli machen.
4. Darm spülen. Am Ende des Darms einen Knoten binden und das vordere Stück auf einen Spritzsack oder Trichter aufziehen. Möglichst ohne Lufteinschlüsse und mit soviel Druck wie möglich die Wurstmasse in den Darm stopfen. Ich mache lieber kleinere Würste von ca. 5-6cm Länge und binde sie danach mit einem Sternfaden ab. Ein geübter Wurster kann einen langen Strang herstellen und einzelne Würste abdrehen.
5. Die Würste sind circa 3 bis 4 Tage im Kühlschrank haltbar. Man kann sie aber auch einfrieren.
Dazu passt: zum Beispiel ein Kichererbsensalat. Ich habe dazu einen schnörkellosen Kabissalat mit Kümmel gegessen.