Wenn aus Kaffee (Eis)Tee wird
Mit meinem Blog habe ich mich tendenziell eher der heimischen Küche mit regionalen oder europäischen Zutaten verschrieben. Damit liege ich voll im Trend. Alles schreit nach saisonalen, heimischen Produkten. Aber was ist mit importierten Lebensmittel, die schon seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten Teil europäischer Esskultur sind? Ich denke an Schweizer Schokolade, Nürnberger Lebkuchen, englischen Earl Grey oder an italienischen Cappuccino. Regionaler Anbau von Kaffee, Tee, Gewürzen oder Schokolade wäre wohl recht unsinnig. Ein Verzicht dieser Produkte ist für mich dennoch undenkbar.
Ich habe meinen Bekannten Philippe gebeten, über seine heimliche Passion zu schreiben. Philippe arbeitet im richtigen Leben in einem ähnlichen Bereich wie ich, steckt aber sein ganzes Herzblut ins Thema Kaffee. Ich bin ganz froh, mich nie an einen Kaffeeartikel herangewagt zu haben, denn seine fundierten Kenntnisse, haben alles in Frage gestellt, was ich über Kaffee zu wissen glaubte.
Danke Philippe
Die Spezialitätenkaffeeszene in der Schweiz befindet sich seit kurzem auf einer spannenden Reise. Abseits von Kaffee crème und Kapseln kann man Kaffee von vielen interessanten neuen Seiten kennenlernen.
Da gibt es zum einen die besonders fruchtigen Kaffees aus Äthiopien. Wenn man nur schon am Schaum eines Cappuccinos nippt, hat man zum Teil auch wegen der Milch den Eindruck, in eine riesige Blaubeere einzutauchen. Auf der anderen Seite findet man spannende Espresso-Sorten. Abseits der Crema eröffnet sich beim Kaffee selber eine blumige Welt, bei der man wegen der dezenten Süsse den Zucker durchaus sparen kann. Wohlbemerkt, das sind keine Kaffees, die mit Aroma versetzt sind, die sind während vieler Jahre so gewachsen und wurden sorgfältig geerntet, verarbeitet, geröstet und zubereitet. Mit ebendiesen Kaffees, die so unglaublich fruchtig sind, kann man qualitativ hochwertigen Filterkaffee brühen. Der ist zwar dünn, wie man ihn aus Nordamerika kennt, doch dieser Filterkaffee erinnert wegen der Fruchtnoten eher an Tee.
Dass Kaffee so fruchtig sein kann, kommt schlicht und einfach daher, dass Kaffee eine Frucht ist. Die gesamte Kaffeekirsche sehen wir hier nie, interessieren uns bloss für die Bohne. Das Fruchtfleisch wird bei der Produktion meistens links liegengelassen, dient vielleicht nach leichter Fermentation als Dünger. Dabei kann man aus dem Fruchtfleisch einen wohlriechenden Tee zubereiten: Cascara. Der Grund, weshalb Cascara bei uns bislang so unbekannt ist, liegt sehr wahrscheinlich in der aufwändigen Produktion. Für die Bauern ist es einfacher, den Dünger herzustellen. Will man das Fruchtfleisch hingegen zu Cascara weiterverarbeiten, muss es während mehrere Tage luftgetrocknet werden und bedarf mehrmaligem Wenden. Dabei wird der im Fruchtfleisch enthaltene Zucker langsam abgebaut. Hier liegt auch die Schwierigkeit: Ob das Fruchtfleisch schon nach 2 oder erst nach 14 Tagen ideal ist, um damit einen Tee zuzubereiten, erkennt man eigentlich erst beim Trinken. Typischerweise dauert die Reise zum Endkonsumenten auch noch einige Zeit, was zu einer zusätzlichen Unbekannten führt. Hat man aber einmal das getrocknete Fruchtfleisch bei sich zu Hause, eröffnet sich einem eine wunderbare Geschmackswelt. Genau wie ein guter Kaffee kommt Cascara fruchtig daher. Die Kombination von sanften Fruchtsäuren gepaart mit einer angenehmen Honigsüsse verleihen dem Cascara eine gewisse Komplexität und machen ihn zu einem interessanten Tee – aus Kaffee.
Wer also bei den derzeit heissen Temperaturen nicht auf Koffein verzichten kann und von Eiskaffee schon die Nase voll hat, der kann sich mit Cascara einer interessanten Alternative zuwenden.
Cascara
Das aus getrockneten Kaffeekirschen-Schalen aufgegossene, teeartige Getränk ist in den Kaffee-Anbauländern wie z.B. Jemen, Äthiopien, Bolivien oder Panama schon seit Jahrhunderten als Energiespender bekannt. Man trank ihn lange, bevor man anfing, die Bohnen zu rösten. Als Schutz vor Insekten speichern die Schalen viel mehr Koffein. Deshalb enthält ein Glas Cascara ein Mehrfaches an Koffein als Kaffee. Cascara kann man sowohl heiss als auch gekühlt trinken. Im Jemen nennt man den Aufguss Quishar. Dieser wird traditionell im Winter mit Ingwer, Zimt und reichlich Zucker getrunken.
Der Biodynamische Anbau spielt übrigens eine zentrale Rolle für die Kaffeekirschen, denn die Pestizide können die Schale stark belasten.
Eistee aus Kaffeekirschen (Cascara)
Zutaten für 1 Glas:
5g Cascara*
Wasser
Eis
*Brasilianischer Cascara aus biodynamischem Anbau ist z.B. bei der Zürcher Kaffeerösterei Black&Blaze erhältlich.
Zubereitung:
1. Cascara mit 250gr Wasser bei 85 bis max. 95 Grad aufgiessen, mind. 5 Minuten ziehen lassen.
2. Für Eistee anschliessend mit derselben Menge Wasser verdünnen und kühlstellen oder alternativ über dieselbe Menge Eis ausgiessen zum sofort konsumieren.
Philippes Tipp: Den Eistee kann man auch im direkt in der Café Bar Benzin&Koffein in Zürich geniessen. Wer noch mehr über die Geschmack und Geruch von Kaffee erfahren will, kann sich die Blogeinträge vom Namensvetter und Sensorikspezialist Philipp Meier auf kaffeemacher.ch zu Gemüte führen, wo sich Philippe sehr viel Infos holt.
Mein Tipp: weitere Rezepte mit Cascara wie Lemonade oder Quhishar auch unter Green-cup-coffee.de