Indiana Jones revisited – Kalbshirn im Pankomantel mit Bärlauchknospen
Die meisten Frauen, die ich kenne, sind keine Freunde der Fleischküche. Und wenn Fleisch, dann bitte so, dass es nicht ans Tier erinnert. Ich kenne so viele Mädels, die nicht mal rohes Fleisch anfassen können. Ich bin anders. Ich mag Fleisch; allerdings in Massen. Und ich habe keine Berührungsängste mit meiner Nahrung.
Was vom Tier jedoch auf unseren Tellern landet und was nicht, erscheint mir zumal recht willkürlich. Nehmen wir zum Beispiel ein Ei. Was ist das? Wikipedia sagt:
„Das Ei ist System in einem frühes Stadium der Entwicklung eines eierlegenden Tieres, das aus einer Eizelle, Nährstoffe und schützenden Hüllen besteht […]“
Es dient der Entwicklung des Küken-Embryos. Wenn man länger darüber nachdenkt, ist es doch irgendwie auch nicht so sexy. In unserer Kultur jedoch ein normales „Lebensmittel“. Auf der anderen Seite aber können wir Westler uns nur schwer damit anfreunden, dass etwa die Chinesen Küken-Embryos essen. Das finden wir abscheulich. Auch wenn ich Freunden von den halbentwickelten Eiern erzähle, die ich aus dem Bauch meiner Suppenhühnern fische, zucken viele zusammen. Warum ist das eine okay und das andere eklig, obwohl es alles fast dasselbe ist? Ich glaube, dass es viel damit zu tun hat, was wir von klein her gewohnt sind. Ich habe als Kind schon Fisch und allerlei Meeresfrüchte gegessen, genauso wie Blutwurst oder Knochenmark. Was der Bauer nicht kennt, frisst er auch nicht, sagte mein Vater abschätzig, wenn ich etwas nicht probieren wollte.
In Hinblick auf die grosse Menge, was heute unter die Kategorie „genussungtaugliche“ Schlachtabfälle fällt, finde ich es wichtig, Neues auszuprobieren. Wenn man schon ein Tier tötet, dann sollte man auch alles verwerten. Abwegig ist das nicht. In unseren Nachbarländern Österreich oder Frankreich sind Innereien auch heute noch ein fester Bestandteil der Kochkultur. Also habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, „Genussuntaugliches“ zumindest mal zu kosten. Die wohl grösste Hürde stellte für mich Hirn dar. Unweigerlich musste ich dabei an Indiana Jones denken: Affenhirn auf Eis. Diese berüchtigte Szene im Film Tempel des Todes war für mich als Kind total befremdlich und verstörend. Dieser Blogeintrag hat mich sehr, wirklich sehr viel Überwindung gekostet. Ich habe lange darauf hingearbeitet und andere Innereien vorgezogen. Erst als mir eine Österreicherin von der Leibspeise Hirn mit Ei berichtete, habe ich mir einen Ruck gegeben. Es ging eigentlich viel leichter als befürchtet. Nach Kalbskopf, Zunge oder Lammherz war der Schritt zum Kalbshirn nur noch halb so gross.
Da ich mich vor der Konsistenz fürchtete, habe das Hirn in einem knusprigen Pankomantel frittiert. Das verleiht dem Gericht, das sonst eher cremig ist, etwas mehr Textur. Serviert mit ein wenig Weissweinessig und ein paar scharfen Bärlauchblütenknospen, sah es sogar appetitlich aus.
Es kam die ganz grosse Überraschung. Nein, es schmeckt überhaupt nicht eklig. Völlig unerwartet war das Essen gut. Mehr noch, die Speise erinnerte mich an Foie Gras. Vielleicht ist Kalbshirn gar eine nennenswerte Alternative zur Stopfleber. Wer weiss?
Wie bei der sättigenden Leber kann man auch vom Kalbshirn nur wenig essen. Darum würde ich dieses Gericht wirklich nur als kleine Vorspeise servieren.
Zutaten für 2 Personen (Apéro)
100g Kalbshirn
Panko (japanische Brotbrösemli aus dem Asialaden)
Sonnenblumenöl zum Frittieren
Salz
6 Bärlauchblütenknospen, halbiert
Etwas Weissweinessig
Zubereitung:
1. ca. 1 TL grosse Stücke vom Kalbshirn in Panko wenden.
2. Einem kleinen, hohen Topf 2 cm hoch mit Öl füllen und erhitzen (Test: ein Stückchen Brot hineinwerfen). Die Stücke goldbraun frittieren. Ich habe etwas experimentiert und die Stücke mal mehr, mal weniger lange frittiert. Länger schmecken sie mir besser.
3. Auf einem Küchenpapier abtropfen, salzen und mit Knospen und etwas Essig anrichten.
Dazu passt: mutige Gäste!