Schweizer Felchenrogen

Ein Dörfchen im Thurgau spielt auch eine grosse Rolle in der Fischereigeschichte: Ermatingen am Bodensee blickt als einziges Schweizer Dorf auf eine lange Fischtradition zurück. Ihr berühmtestes Produkt ist als der Gangfisch bekannt. Er ist eine mit dem Felchen verwandte Fischart, die man als Ganzes räuchert. Verarbeitet werden vorwiegend die laichtragenden Weibchen. Da der Fisch als Ganzes, also unausgenommen, geräuchert wird, müssen Magen und die übrigen Organe „leer“ sein. Dies ist erst im Spätherbst der Fall. Und auch nur dann ist der Rogen genannt Bodenseekaviar für einige Wochen erhältlich (Quelle: Kulinarisches Erbe).

Bisher hatte ich noch nicht die Ehre, einen echten Gangfisch zu verkosten.

Als ich den Bodensee-Fischhändler Interfisch nach dem berüchtigten Fischeiern fragte, hatte er nur ein müdes Lächeln übrig. Bereits im Oktober liess ich mich hierfür auf eine Warteliste setzen. Die Situation könnte man am ehesten mit der Bestellung einer Kelly Bag vom Hèrmes vergleichen, wo die potentiellen Kundinnen teils zwei oder sogar drei Jahre auf ihre Handtaschen hoffen. Mein Telefon blieb stumm. Auch ein Anruf direkt beim Fischer in Ermantingen blieb erfolglos. Eine ziemlich entnervte Fischersfrau klagte lautstark ihr Leid über den Rummel um den Bodenseekaviar. Trotzdem wurde ich fündig. Die Suche endete im Dezember nach einigen Telefonaten und zwei persönlichen Treffen mit einem kleinen Gläschen randvoll gefüllt mit winzigen gelbgoldenen Fischeiern: 120 Gramm leicht geräucherter Felchenrogen aus dem Neuenburgersee für knapp 20 Franken vom Onlinehandel eatgreen.ch.felchenrogen

Nun muss ich fairerweise schreiben, dass die Gewinnung des Rogens sehr aufwendig ist und keinen Fischer reich macht. Einen Teil des Fischlaichs wird im November für die Zucht eingesetzt. Von meinem Vater weiss ich, dass die Aufzucht bei ungünstigen äusseren Bedinungen von Bedeutung für einen Mindestbestand ist. Die vom Menschen verursachten Umweltkatastrophen und die Nutzung der Wasserläufe für die Energieversorgung gefährden den Bestand unserer heimischen Fischarten (Quelle: Felchenfischer.ch). Diese Art der Rogengewinnung steht im starken Kontrast zum Raubbau an den Wildbeständen der Störarten.

Echter Kaviar
Echten Kaviar nennt man den mit Salz konservierten Rogen des Störs. Die häufigsten Störarten sind der Sterlet, der sibirische und der russische Stör und der Beluga, die grösste Störart. Da Kaviar in der Regel durch Tötung der Störe gewonnen wird, sind die Wildbestände etwa vom Beluga vom Aussterben bedroht.
Kaviar wird auch „Schwarzes Gold“ genannt. Im Einzelhandel wurden im Dezember 2015 je nach Qualität etwa EUR 2000 bis 4500 pro Kilo Beluga-Malossol verlangt. Eine preiswertere Alternative stellt roter Fischrogen dar, der aus Lachs- oder auch aus Forellenlaich gewonnen wird. Anders als beim echten Kaviar sind die Eier rötlich gefärbt und wesentlich grösser. Für Lachskaviar zahlt der Kunde zwischen EUR 100 bis 500 pro Kilo (Quelle: Wikipedia). 

Nun aber zum Geschmack. Wie immer, wenn man sich so lange nach einem Produkt sehnt, erwartet man die ganz grosse Nummer. Der wirkliche Wow-Effekt blieb für mich anfänglich aus. Dadurch, dass der Laich leicht geräuchert ist, schmeckt man das feine Aroma der Buchenholzes. Die Fischeier sind sehr mild und kaum gesalzen. In einem ersten Versuch den Rogen in ein Rezept zu packen, habe ich die zu Chanuka bekannten Rösti namens Latkes gebacken. Zusammen mit einem Löffel Sauerrahm hat es den Geschmack des wertvollen Felchenkaviars übertüncht.

Ich bin keine Kaviarexpertin. Deshalb habe ich mir Unterstützung geholt.

Meine Lieblingsfreundin ist in St. Petersburg aufgewachsen. An Neujahr habe ich ihr den Felchenkaviar aufgetischt. Gierig hat sie sich auf die Fischeier gestürzt. Ihr Urteil: Rohessqualität. Ich war mir mit meiner Freundin einig, dass man solchen Rogen klassisch russisch auf mit Butter bestrichene Weissbrotscheiben serviert. Dann ist der Felchenkaviar äussert delikat. Es sollte Weissbrot sein, so meine Freundin. Dunkles Brot könnte den feinen Geschmack dominieren. Sie wies mich auch noch darauf hin, dass sich dieser Rogen im Gegensatz zu günstigen roten Kaviarsorten weder schleimig noch glibbrig anfühle. Das deute auf gute Qualität hin.

Wie immer beim Fischlaich bereitet das Mundgefühl eine besondere Freude. Es ist sehr lustig, wenn die vielen winzigen Eier zwischen den Zähnen zerploppen.

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Wer durch einen befreundeten Fischer zu frischem Felchenrogen kommt, kann ihn auch selber zubereiten. Ich habe die folgende Anleitung im Forum Felchenfischer.ch gefunden: den frischen Laich mit einer Kelle oder Löffel vorsichtig durch ein Haarsieb streichen, um die feinen Adern oder Häutchen zu entfernen. Die Eier im gereinigten Sieb waschen – sehr gut abtropfen lassen und vorsichtig salzen. Salz macht den Rogen haltbar – da ich es aber es selber noch nicht ausprobiert habe, rate ich den Felchenkaviar sofort zu konsumieren.

Die Saison für Felchenlaich beginnt im Herbst und endet im Winter. Im Februar/März folgt die Zeit für den kräftiger schmeckenden Laich vom Hecht.

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